Interview 3

Eine Unfrage von AMICA, bei der man abstimmen konnte, ob man Johnny Depp hasst oder liebt, hat folgendes Ergebnis gebracht: einmal 1720 Treffer – und einmal 62. In den 62 Hass-Seiten wird ihm seine „unerklärliche Liebe zu Franzosen“ vorgeworfen, dass er sich „zu tiefsinnig“ äußere und wie ein „Crackhead“ gekleidet sei. Stimmt. Und die Tätowierungen sind auch ganz furchtbar schlecht, alle elf. Manche sind einfach nur hässlich (gestümperte Zahlen), andere purer Kitsch (Indianerkopf, Kindernamen), aber rührend, weil sie ihm offenbar etwas bedeuten. Ebenso die Garderobe.

Sorry, ihr Hass-Seiten-Verfasser, Johnny würde auch in einem Fernsehsprecher-Jackett Adonis beschämen, und außerdem weiß die Reporterin aus früheren Interviews, dass Kleider im Depp’schen Universum Erinnerungen an bedeutsame Ereignisse im Leben sind. Was natürlich auf nervende Ernsthaftigkeit deuten könnte, aber im Gegensatz zu Sean Penn reist Johnny Depp nicht in den Irak, sondern wird dabei fotografiert, wie er einem Bettler in L.A. 50 Dollar zusteckt. Die er sich allerdings erst von seinem Chauffeur leihen muss, denn er trägt nie Bargeld bei sich.

 

Irgendwann, mitten im Gespräch, lachte er laut auf. Dabei war es gar nicht lustig. Es war das übliche Gespräch mit Johnny Depp, bei dem Journalistinnen so tun, als wären sie objektiv, während sie innerlich dahinschmelzen und eigentlich nur Rotwein trinken wollen mit diesem 40-Jährigen.

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 40! Wieso nennt er sich eigentlich immer noch Johnny? Vater von zwei Kindern, spielt in Disney-Filmen den Piraten und trinkt gern mal einen 78er Romanée-Conti für 18000 Dollar die Flasche. O ja. Man kann sich einschwingen auf ein Gespräch mit Johnny Depp. Sich einmal nicht von seiner bestürzenden Schönheit ablenken lassen. Ignorieren, dass er im letzten Jahr für das People Magazine der „Sexiest Man Alive“ gewesen ist, dass Frauen zu weinen anfangen, wenn er auf dem roten Teppich an ihnen vorüberschlurft. „Wieso weinen sie bloß?“, fragte er ehrlich verstört auf dem Weg zu den Golden Globes. Weil sie dich so sehr lieben, Johnny. Emotionale Überwältigung, du weißt schon, Menschen, die ohnmächtig werden im Angesicht von Schönheit. „Sonderbar“, sagt er und schnuppert an seiner Achsel, „vielleicht rieche ich nur schlecht?“

Vielleicht. Aber das haut eine Frau nicht um. Was sie weich werden lässt, sind die Cherokee-Wangenknochen und Lippen wie mit dem Pinsel gezeichnet und die Geschichten, die mit Drogen, Schlägereien und Supermodels anfangen und mit romantischem Familienleben auf Provence-Landgut mit Liebe des Lebens enden. Vanessa Paradis nennt ihren Gefährten grundsätzlich nur „meinen Darling“. „Mein Darling hat mich für mein Platten-Cover fotografiert.“ Die Platte hieß „Bliss“, das englische Wort für Entzücken/Wonne, und war ihrem Darling und dem glücklichen Leben an seiner Seite gewidmet. „Mein Darling ist der sanfteste Mensch, den man sich denken kann“, sagt Vanessa, „aber manchmal genügt ein Funke, um ihn zur Explosion zu bringen.“ O ja, das hätte man jetzt gern, eine Explosion von ihm …

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Diesmal ist sogar ein Autogramm fällig, natürlich nicht für einen selbst, sondern für eine Freundin, eine gestandene Frau von 34, aber ihr gesamtes erwachsenes Leben rettungslos verknallt in Johnny.                                                                            „Was soll ich schreiben“, fragt er, „wo ist sie?“ Sie sitzt im Flugzeug von Frankfurt nach L.A. und hat Angst. „Ach ja, das kenne ich“, sagt Johnny, „ich hasse fliegen.“ Und schreibt: „Hab keine Angst. Alles wird gut. Dein Johnny.“

Draußen wartet seine Lebensgefährtin. „Wir heiraten erst, wenn die Kinder alt genug sind, um mitfeiern zu können“, hat er vorher gesagt, und man denkt, wie ähnlich sich die beiden doch sehen, fast wie Geschwister. Ob es ein Hinweis auf Narzissmus ist, wenn man sich Partner sucht, die einem wie aus dem Gesicht geschnitten sind? Hoffentlich nicht, denn man selbst sieht ja nicht so aus, aber wenigstens hat man ihn heute einmal zum Lachen gebracht. Es war eine langweilige Frage im Sinne von: Wie sehen Sie sich heute, Sie wollten mal Rock’n’Roller werden und Sie galten als Rebell …? „Hahahahahahaha! So werde ich meine Autobiografie nennen: Er galt als Rebell – hahahaha!“ Was daran so komisch ist, weiß nur Johnny Depp. 

 

 Aufzucht:

Betty Sue Depp mutete Johnny mindestens 30-mal Umzüge und Schulwechsel zu. So züchtet man Rebellen. „Meine Villa in Frankreich ist mein erstes Zuhause.“ Französisch spricht er immer noch nicht.

Pflege:

Riecht nach Zigaretten und langen Nächten in ungelüfteten Kneipen. Wurde bei Interviews noch nie ohne Kopfbedeckung (Strickmütze bei Temperaturen unter 30 Grad, Filzhut für Hundstage) gesehen.

Design:

Wangenknochen, mit denen man Briefe aufschlitzen könnte. Acht Tattoos nach Seemannsart: stümperhaft, aber sentimental. Schmuck: zwei Totenkopfringe, ein Lederhalsbändchen, keine Uhr. Dafür eine Hornbrille. Trägt gern Sachen, die er in alten Koffern auf dem Speicher findet.

Sex:

Bevorzugt brünette Waisenkinder vom Typ Winona Ryder und Kate Moss. Vanessa Paradis passt prima ins Beuteschema. Bemerkenswert: Die Mutter seiner beiden Kinder wartet immer noch auf einen Antrag.

Drugs:

Bekennender Genussmittelmensch. Ist nach Jahren halluzinogener Experimente über Absinth zum legalen Drogenconnaisseur gereift. Zigaretten zum Frühstück, Rotwein am Mittag und Pastis als Aperitiv gelten in L.A. aber auch schon als Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Rock’N’Roll:

Spielte mit 15 in der Band „The Kids“, zerlegte Hotelzimmer, prügelte sich mit Paparazzi und springt auch schon mal als Gastmusiker bei Oasis ein.

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